Wer lebt noch mit uns auf Portico? Da sind zunächst die Besitzer des Anwesens, ein nettes und hilfsbereites Ehepaar, ein Boxer, der uns bei der Einfahrt durch das elektrisch zu öffnende Metalltor immer regungslos mitteilt: „Du kommst hier nicht rein!“ dann aber doch brav zur Seite trottet. Vier Pferde weiden auf der anliegenden Koppel, wir nehmen an, dass es wertvolle von den Besitzern gezüchtete Araber seien. Eine handvoll Jagdhunde (Rasse: Spaniel?), die im großen Zwinger leben und uns gerne nachts daran erinnern, dass sie noch da sind. Ein Taubenpaar gurrt unter dem Dach und Sperlinge zwitschern im Garten, der mit alten Obstbäumen, (Birne, Feige), Zypressen, Akazien und so weiter bepflanzt ist. Von den Mücken hatte ich schon berichtet, Fliegen, Bienen und Ungeziefer sind überall auf der Welt zu Hause.Also ein idealer Platz für das mediterrane Leben. Die Uhren ticken bei uns aber weiterhin deutsch: wir schaffen es einfach nie morgens früh aufzustehen, dann etwas zu unternehmen, der Mittagshitze bei einer leichten Speise den Rücken zu kehren, dann zu schlafen um ab 17:00 Uhr weiter zu leben, nicht vor 21:00 Uhr zu Abend essen und gegen Mitternacht das letzte Glas Wein zu trinken (doch: das Letztere schaffen wir meistens…).
So stöhnen wir wie alle anderen Touristen in der Mittags- und Nachmittagssonne und ärgern uns über das grelle Licht, was unseren Fotos starke Kontraste beschert.
So auch heute. Um 13:00 Uhr steigen wir nach einer neunzig Minuten dauernden Fahrt in Lazise am Lago di Garda aus den klimatisierten Autos und gehen mit unseren Badetaschen an den Strand, besser gesagt: an eine kleine Bucht nördlich des Hafens, die es auf kieselsteinigem Weg ermöglicht, in das erfrischende Nass zu tauchen.
Kinderferienprogramm.
Cornelia und Frank fahren am frühen Abend nach Verona, um 21:15 Uhr steht in der Arena di Verona „La Traviata“ auf dem Spielplan. Ellen und ich werden am Freitag die Aufführung aus der Feder von Giuseppe Verdi sehen und hören.
Ich reiche daher das Laptop weiter an Frank, der über Verona berichtet:
Gegen 16:30 Uhr nehmen wir die vom Feierabendverkehr überlastete und mit Bordsteinschwalben gesäumte SS11 nach Verona. Wir folgen den Schildern Richtung Zentrum, und nach einer unfreiwilligen Runde durch die Veroneser Peripherie (an einer Verzweigung ohne Hinweisschild zum Zentrum haben wir uns prompt für die falsche Richtung entschieden) landen wir schließlich im Parkhaus Arena, welches sehr innenstadtnah und sehr teuer ist. (Das kostenlose WC des Parkhauses ist nicht empfehlenswert, die unterirdischen „Gabinetti Publici“ an der Piazza Bra sind hingegen die 50 Cent Gebühr allemal wert)
Unser Weg führt uns zunächst über die Piazza Bra zur beeindruckenden, aber leider teilweise eingerüsteten, Arena di Verona. Vor der Arena sind Kulissen für andere Opern zwischengelagert, die wir uns aus der Nähe betrachten.
Nach einer Runde um das altrömische Bauwerk, auf der wir von mindestens zehn fliegenden Händlern, die uns Tickets verkaufen wollen, angesprochen werden, gehen wir kurz zurück zu unserem Auto, um uns umzuziehen und unsere sieben Sachen für die Oper zusammenzupacken [Tickets, Fernglas, Kamera mit Telezoom, Wasser, Becher, Sitzkissen, Kerzen (hatten wir leider nicht, hätten wir aber haben sollen)].
Auf der Suche nach einem kleinen Restaurant, das nicht ausgerechnet an der Arena liegt, stoßen wir auf die Piazza dell‘ Erbe, auf der die Händler gerade ihre Stände schließen. Auch bei dem nur wenige Schritte entfernten Haus der Julia, haben wir kein Glück. Es ist 19.20 Uhr und die letzten Besucher werden gerade aus einer kleinen Tür ins Freie geschleust während von draußen herein drängende Romantiker lautstark abgewiesen werden. Schlussendlich landen wir dann doch in einem Straßenrestaurant bei der Arena: Le Cantine de L‘ Arena.
Gestärkt mit einer Pizza Mascarpone e Crudo für mich, einem Insalata Cornelia für Cornelia (!), einem gemeinsamen Stück Torta della Nonna, Caffè, Wasser und Bianco della Casa betreten wir gegen 20.45 Uhr die Arena.
Wenn schon, denn schon. Haben wir uns gesagt. Verona ohne eine Opernvorstellung zu besuchen ist wie in Rom nicht die Stufen der Spanischen Treppe emporzusteigen, in Florenz den marmoren David unbestaunt zu lassen oder in die Venedig die Tauben hungern zu lassen.
Aber, welche Vorführung sollten wir uns anschauen, wie können wir Karten kaufen und was kostet der Spaß?
Also haben wir uns zunächst im Internet unter www.arena.it über den Spielplan und die Kartenpreise informiert
Die Oper „La Traviata“ von Verdi wurde uns von Kennern ans Herz gelegt, die Story der Kameliendame, die Dumas einst schrieb.
Die Tickets zum Preis von 26 bzw. 30 Euro kamen nach den entscheidenen Klicks im Internet dann problemlos per Post.
Es gibt aber auch Karten jenseits der einhudert Euro Grenze.
Ganz oben, weit hinten durften wir dann Platz nehmen. Dort, wo das gemeine römische Fußvolk einst saß, schmale Stufen für das eigene Gesäß und die Füße des Hintermannes aber gepolstert durch das mitgebrachte Sitzkissen.
Die Atmosphäre am Abend ist natürlich klasse.
Ein Stimmengewirr im weiten Rund, Platzanweiser quetschen jeden Touristen in die noch so winzige freie Lücke, Librettos werden verkauft, ebenso sündhaft teure Getränke, denen man spätestens nach dem zweiten Akt nicht mehr widerstehen kann. Natürlich werden auch noch Sitzkissen verliehen, ein veroneser Bäcker verteilt kleine Kerzen, mit denen entzündet eine schöne Stimmung verbreitet wird. Ursprunglich sollte dadurch Licht für das Lesen des Librettos geschaffen werden.
In den Pausen ist es übrigens kein Problem, die Arena zu verlassen. So kann man sich die Beine vertreten, auf die Toilette gehen oder sich auf der Piazza ein Granita kaufen.
Zur Oper:
Die Musik ist auf den hinteren Steintreppen sehr, sehr leise. Zumindestens für rockkonzertgeschädigte Ohren wie unsere, insbesondere wenn eine Sopranistin ruhige Passagen zu singen hat.
Auch wenn das ganze Orchester samt Chor alles aus sich herausholt, bebt die Arena nur auf den vordersten Rängen und im Parkett. Dort waren aber im Sommer 2004 zahlreiche Lücken zu entdecken.
Der Applaus und die geforderten Zugaben fallen spärlich aus: alle wollen ihre Busse nicht verpassen. Denn, ein echtes Opernpublikum ist kaum in der Arena anzutreffen, eigentlich sind Touristen aus aller Welt unter sich und werden sicherlich sagen:
Ja, einmal muss man das erlebt haben…